Wieder durch das Groene Hart - Juli ´24

Das letzte Weekend im Juli, die Fahrsaison ist schon weit fortgeschritten. Trotzdem ist das jetzt erst die zweite Fahrt in diesem Jahr mit mehr als einer Übernachtung auf ELAN. Wir starten Freitag für ein langes Wochenende.


Doch schon in der Schleuse ein Problem: Der Schleusenwärter verwickelt uns in ein Gespräch bzgl. der Öffnungszeiten an diesem Wochenende und verkündet "beperkte opening". Wir sollen uns morgen telefonisch erkundigen, wann am Sonntag geschleust wird. Nun denn, wir verdrängen das, die Fahrt läuft herrlich auf der Vecht, eine andere Albin 25 liegt kurz vor Weesp am Ufer. Es sollte auf dieser Reise nicht der einzige Kontakt mit einem Schwesterboot bleiben.


Wir passieren Weesp ganz fix, queren den Amsterdam-Rhijnkanaal und machen kurz hinter der Driemondbrug fest. Liebe Freunde steigen hier für die Tour zu.

Was steht für diese Wochenende auf dem Zettel? Es ist eine bewährte Runde durch das Groene Hart van Nederland. Wir schippern über die Weesper Trekvaart nach Amsterdam, nehmen Quartier im Sixhaven und fahren am Samstag weiter südwärts über die Amstel, zweigen ab auf kleine Flüße im Polderland bis zum Jachthafen Bon an den Vinkeveener Plassen.

Auf der Weesper Trekvaart, der alten Handelsverbindung zwischen der Vecht und Amsterdam, begleitet uns ein feiner Blanc de Noir von der Ahr.


Alle Brücken auf der Trekvaart öffnen fix, wie immer herrliche Fahrt durch die Stadt über die Amstel,  Nieuwe Herengracht, Oosterdok auf das IJ in den Sixhaven. Der ist schon schon gut gefüllt, wir kriegen aber noch den letzten Platz vorne am A-Steiger. ELAN ist wieder mal im Kulthafen.


Sixhaven ist die Heimat der Watersport Vereniging Dock en Scheepsbouw WVDS. Ursprünglich wurde er angelegt 1920 durch die Koninklijke Nederlandsche Zeil- en Roeivereeniging und benannt nach Willem six, dem damaligen Vorsitzenden Der stammte aus der bekannten und (traditions)reichen Amsterdamer Patrizierfamilie Six, seit dem goldenen Zeitalter im 17. Jahrhundert ein weitverzweigter und einflußreicher Clan. Wirklich lesenwert dazu und tiefe Einblicke in die niederländische Geschichte gebend ist das Buch "Die vielen Leben des Jan Six: Geschichte einer Amsterdamer Dynastie" von Geert Mak. Nach dem zweiten Weltkrieg zog die "Königliche" aber dann nach Muiden um, direkt an die Vechtmündung zum IJmeer (klick). Der Hafen verfiel, war nur noch Heimat für ein paar Wohnboote. Bis er 1974 wieder aktiviert wurde, nach den Bürgerlichen ausgerechnet von sehr motivierten Werftarbeitern der großen NDSM Werft in Amsterdam Noord, quasi ein Wechsel der gesellschaftlichen Klassen. Bis heute werden noch alle Arbeiten von Mitgliedern in freiwilligen Arbeitsgruppen verrichtet. Hafenmeisterei und die Kantinen-Bar werden durch freiwillige Vereinsmitglieder bemannt. Vor ein paar Jahren wurde genau unter dem Sixhaven der Tunnel für die neue Amsterdam-Metro gebaut, im Rahmen dieses gewaltigen Projekts wurde auch der Sixhaven nochmal gründlich renoviert. Alle Steiger und die Sanitäranlagen sind neu. Es präsentiert sich also heute alles in Top-Form. Zudem gibt es ein echtes Sahnetüpfelchen: Auf dem Dach der Kantine steht eine 4K-Webcam, die ein Livebild ins Internet sendet, für Bootsleute immer spannend zu sehen. Und man kann Ankunft, Aufenthalt und Abfahrt selbst live von oben anschauen und teilen.


Wir chillen, genießen Hafenkino, brechen gegen 17.00 auf in die Stadt. 


Wir durchstreifen den Grachtengürtel auf der Westseite, immer wieder schön diese in weiten Teilen seit Jahrhunderten unverändert gebliebenen Häuserzeilen am Wasser. Amsterdam ist hier ein Gesamtkunstwerk, in dieser Art weltweit nur vergleichbar mit Venedig.



Ready for Dinner: Wir kehren ein im Traditionshaus Zwantje in der Berenstraat. Das ist urig altholländisch mit Tischteppichen, es gibt richtig was auf die Gabel. Leider hat es wieder nicht gereicht für das Champignontoast. Ramses Shaffy soll es hier bei seinen Besuchen immer bestellt haben.


Am Dam dann das Lichtspektakel der rückwärtigen Fassaden der Warmoestraat, eine der ältesten Straßen von Amsterdam.


Wir setzen über und laufen die paar Meter vom Anleger zum Hafen. ELAN bietet eine sichere Heimstatt für die Nacht.


Der Samstag - das Wetter ist top, Sommerfeeling pur im Sixhaven. Das Bild der Webcam zeigt die ganze Pracht an diesem Morgen.


Das sind die schönsten Momente, für die sich mancher Streß mit dem Boot lohnt. Wir frühstücken und genießen das Hafenkino.


Es fiel mir gleich gestern schon auf, direkt gegenüber liegt eine weitere Albin 25. Die Eignerin kommt zu uns und freut sich über unser Boot. Wir kommen intensiv ins Gespräch und werden auf ihr Boot für eine Besichtigung eingeladen. Es ist ja im Prinzip das gleiche Muster, aber schon verblüffend, wie unterschiedlich alles ausgeführt ist. Was aber klar ist: Die Albins sind alle über 40 Jahre alt, da wird schonmal das ein oder andere geändert und angepaßt. ELAN ist in dieser Hinsicht eigentlich ziemlich "unverbastelt".


Wir verlassen Sixhaven gegen 11.00, queren das IJ...


...und fahren wieder auf die Amstel in Richtung Süden. Der Fluß ist Legende. Direkt an der Mündung ins IJ bauten im 13. Jh. die ersten Siedler ihre Hütten und errichteten einen Dijk. Aus Amsteldijk wurde Amsterdam, aus einem unwirtlichen morastigen Feuchtgebiet wurde im 17. Jahrhundert, dem Goldenen Zeitalter, das Zentrum des europäischen Welthandels und Amsterdam damit zur reichsten Stadt des Kontinents. Nach Jahrzehnten unglaublichen Wohlstands und frustrierendem Niedergang präsentiert sich die Metropole heute als Stadt der Kontraste: Bunt und mit einer Prise Chaos, Laissez-faire und liberalem Multi-Kulti, aber auch immer noch entscheidend und sichtbar geprägt von kapitalistischer Dynamik der Kaufleute.


Wir fahren südwärts auf dem Fluß mitten ins Groene Hart van Nederland. Die Amstel ist überraschend kurz, ist auch kein Fließgewässer mit einer regulären Quelle, sondern endet schon nach 31 Kilometern und geht über in andere Flüße, Kanäle und Wassergräben der südholländischen Polderwelt. Wir fahren unter sonnigem Himmel und frischer Brise und genießen entspannt das Uferkino. In Ouderkerk gibt es einen Supermarkt direkt am Fluß, nebenan ist ein kleines Hafenbecken. Wir nutzen das für die Auffrischung des Bordproviants. In Oudekerk biegen wir dann ab auf ein System von kleinen Flüßen, alles am Ufer schilfbewachsene Wasserläufe durch die Polderlandschaft südlich von Amsterdam. Unser Ziel sind die Vinkeveener Plassen.


Nach wenigen Kilometern dann die Proostdijersluis, die ermöglicht die Zufahrt auf die Vinkeveense Plassen. Direkt dahinter liegt der Jachthaven Bon. Hier waren wir schon öfter, hier wollen wir wieder die Tagesetappe beschließen und Passantenquartier für eine Nacht nehmen.


Bon ist ein richtig eingewachsener Hafen mit vielen Stammplätzen, Camping dazu, viele Steiger und Brücken. Die Gebühr beträgt nur 15€ komplett für vier Personen, Landstrom inklusive. 


Zum Dinner Einkehr ins Hafenrestaurant, das ist eine solide Adresse. Ich wähle Muscheln und als Absacker einen Espresso Martini.


Am Sonntag queren wir die Vinkeveense Plassen, ein großes Gewässer, beliebt als Freizeit- und Wassersportrevier. In den vergangenen Jahren ist ELAN hier öfter gefahren. Hier hatten wir auch schon Häuser am Wasser gemietet, mit Bootssteg (hier und hier). Wir verlassen die Plassen durch die Demmerikse Sluis.


Kurz danach biegen wir ab auf die Angstel, der kleine Fluß verläuft parallel zur A2. Der Fluß ist von der Autobahn nicht zu sehen, eine solche Idylle direkt nebenan vermutet man hier wohl auch nicht. Es begleitet ein intensiver Riesling aus dem Elsaß, der Cru Rosacker der Domaine Agapé aus Riquewihr.

Bald danach kommt der Amsterdam-Rijnkanaal in Sicht, da fahren gerade zwei große Frachter längs. ELAN schaukelt bei der Kanalquerung heftig in den Kielwellen. Direkt gegenüber gibt es eine schmale Durchfahrt zur Vecht, ein Nadelöhr, das nur für kleinere Boote befahrbar ist. Wir passen durch und treffen nach der Brücke in Nieuwersluis wieder auf die Vecht. Der Heimatfluß, wie immer eine prächtige Kulisse! Wir passieren die feinen Dörfer Loenen und Vreeland, die Brücken öffnen fix. 


Wir sind dadurch schon kurz nach 15.00 am Warteplatz zur Schleuse. Da liegen schon einige Boote. Unsere Information, telefonisch eingeholt und durch einen Zettel am Schleusenhaus bestätigt, ist, daß heute fix um 19.00 geschleust wird. Eine krasse Abweichung von den regulären Zeiten ab 17.30. Wir haben also "viel Luft", laufen zum Heimathafen zum Auto, um den anderen Wagen vom Parkplatz an der Driemondbrug abzuholen. Danach springe ich auch nochmal für ein Bad ins Wasser. Doch plötzlich ein Ruf: Ein Schleusenwärter taucht um kurz vor 18.00 auf und verkündet Öffnung in wenigen Minuten. Das ist gut, anderseits nervt natürlich die unscharfe Lage hier an der Schleuse, auf die wir ja angewiesen sind. Trotzdem ein letzter Genuß, wir queren den Spiegelplas, Heimkehrerlicht weist den Weg zurück in den Heimathafen.