Große Noordholland-Runde 9. bis 11. Juli ´21

Eine schöne Runde an einem langen Wochenende! Wir sind Freitag schon früh in Nederhorst, Einkauf im Albert Heijn, Beladen des Bootes, Schleusung - alles geht fix & foxi. Um 12.00 sind wir auf der Vecht mit Kurs nach Norden.



Wir müssen in Richtung Amsterdam. Ich hatte erst vor, die Pampus-Route durch das IJmeer zu nehmen. In Weesp dann aber doch die Entscheidung für die Trekvaart-Route. Die Brücke auf die Smaal-Weesp öffnet nämlich gerade, einige Boot wollen vor uns durch. Das verspricht eine schnelle Konvoifahrt durch die noch folgenden Brücken.


Die Fahrt über die alte Handelsverbindung zwischen Vecht und Amstel ist Routine, die Driemondbrücke und die beiden Brücken in Diemen öffnen nach kurzer Wartezeit. 


Hier die komplette Route für die drei Tage.


Wie immer großartig: Die Fahrt über die Amstel, eine Prachtstraße als Entrée in die große Stadt. Rechts und links am Ufer feinstes Wasserkino.




Wir bleiben nicht, wie schon so oft, als erste Etappenübernachtung in Amsterdam. Wir lassen Sixhaven und Marina diesmal aus und tuckern in Richtung Westen weiter auf dem Noordzeekanal.


In Höhe Marina ein deutlich anderes Bild im Vergleich zum Vorjahr, auf dem alten Werftgelände sprießen wie Pilze die neuen Türme in den Himmel. Das Double-Tree-Hotel und das Kranhotel bestimmen nicht mehr exklusiv die Silhouette dieser Gegend, Noord ist ein Stadtteil im krassen Wandel.


Weiter vorbei an den großen Hafen- und Werftanlagen, das sind die Reste der einstigen Größe. Das ganze Noord-Ufer des IJ war bis in die 60 Jahre dem Schiffsbau vorbehalten. Es steht aber noch was, allerdings keine Neubauten mehr, die Docks sind Reparatur- und Wartungsarbeiten vorbehalten. Ein dicker Pott liegt hier: Die My Vision,  ein Bulk Carrier, 229 Meter lang, gebaut 2015, läuft unter der Flagge von Zypern.



Ich habe als Tagesziel zwei Häfen im Auge. Einmal Jachthaven Nauerna kurz hinter dem Abzweig auf die Nauernasche-Vaart und den Jachthaven Dukra mitten in Zaandam. Ich entscheide mich für letzteren. Bis Nauerna sind es nochmal gut 6 Kilometer weiter Richung Westen. Und weil wir noch etwas Hafenkino und einen Landgang genießen wollen biegen wir steuerbord ab auf die Zaan und machen nach 10 Minuten fest. Auch hier auf den ersten Metern zwischen Noordzeekanal und Zaandam noch jede Menge industriemaritimes Flair. 



Der Hafen Dukra liegt zentral in Zaandam. Immer interessant, was Neues anzusteuern, hier war ELAN noch nicht. Ein Hafenmeister ist nicht zugegen, wir suchen ein freies Plätzchen, alles passt.


Zaandam, ein Ort mit großer Tradition. Für die Geschichte der Niederlande sind die Stadt und die folgenden Kilometer nördlich entlang der Zaan eine bedeutende Gegend. An diesem Wasser entstand im 17. Jh., dem Golden Eeuw, das erste und größte zusammenhängende Industriegebiet Europas. 900 (!) Windmühlen waren der Motor dieser Entwicklung. Holzsägemühlen, Mühlen für die Mehl, Farb- und Papierherstellung drehten sich unablässig in noordholländischer Brise. In den Dörfern der Zaanstreek gab es 65 Schiffswerften. 1697 kam der russische Zar Peter der Große inkognito nach Zaandam, um hier hinter die besonderen Fertigkeiten des holländischenden Schiffbaus zu kommen. Er studierte die Konstruktion seegängiger Segler, die er als Modellschiffe kopieren und in Russland später nachbauen ließ. Nachdem entdeckt wurde, wer da wirklich in Zaandam weilte, war Peter gezwungen, in einer von der Öffentlichkeit abgeschirmten Werft in Amsterdam weiterzuarbeiten. Dort begann er eine Zimmermannslehre in der Werft der Ostindischen Kompanie und arbeitete am Bau einer Fregatte aktiv mit. In Zaandam wird an den Zarbesuch erinnert, Straßen sind nach ihm benannt, es gibt ein Museum und ein großes Denkmal mit dem zimmernden Zaren.


Zaandam heute: Es gibt noch ein paar Straßen mit den charakteristischen alten Holzhäusern. Sonst aber ist Zaandam kein schickes Städtchen, kein Hotspot für Touris. Im Zentrum herrscht einfaches und pralles Leben, viele Kinder, Familien mit südländischen Wurzeln. Aber die moderne Architektur überrascht dann doch, es gibt jede Menge Zitate und optische Reminiszenzen an die alte Zaanstreek mit ihren grünen Holzbauten, reichverziert und von kleinteiligem Reiz. Vor allem im Bereich des Bahnhofs stehen spektakuläre Bauten, wie das bizarr anmutende Inntel-Hotel.




Diner nehmen wir am zentralen Restaurant- und Kneipenplatz. Da ist einiges los, wir landen bei De Pizzabakkers Zaandam. Da nimmt man sich dem Thema seriös an, bereitet die Teigfladen sehr gut im Holzofen. Zurück am Boot viel Ruhe, trotz der urbanen Lage ist das hier eine kleine Welt für sich.
 

Am Samstag lassen wir es ruhig angehen, eine sehr lange Strecke ist für den Tag nicht geplant. Wir frühstücken an Bord, machen "klar Schiff" und passieren die schöne frisch renovierte Hondsbossche Sluis. Die ist richtig alt (1544) und wird heute in der Saison von Freiwilligen noch per Hand bedient. Das ist neu, auf der letzten Tour entlang der Zaan mußten alle Boote die große Hauptschleuse passieren. Die ist heute den größeren (Berufs)schiffen vorbehalten.




Mit der riesigen Handelsflotte der VOC machten die Niederlande in Indonesien reiche Beute und sorgten damit für einen immensen Wohlstand des aufstrebenden Bürgertums und so für den Aufstieg der Städte, zuvörderst den von Amsterdam. Von diesem alten Zustand an der Zaan zeugen noch einige Holzhäuser im charakteristischen Zaans Groen und vor allem die restaurierten Mühlen im Freilichtmuseum Zaanse Schans.




Wechsel ins 19. Jahrhunderts: Die Mühlen wichen den den Dampfmaschinen. Die Zaan wurde Sitz großer multinationaler Betriebe, vorzugsweise aus dem Bereich der Lebensmittelverarbeitung. Von hier kommt bis heute Zucker, Schokolade, Kakao, Mayonnaise aus großen Anlagen direkt am Flußufer.



Es gibt aber auch einige alte Fabrikgebäude, viele umgewidmet zu Wohn- und Kantoorquartieren. Das alles zieht an einem beim Schippern über diesen kurzen aber faszinierenden Fluß vorbei. Über den Kakaofabriken liegt ein Duft von Schokolade, eine kostenlose Zugabe für uns auf dem Bootje ELAN.



Aus Gegenrichtung mal wieder ein Schwesterschiff, bei der Albin 25 wurde der Rumpf hinten um eine integrierte Badeplattform verlängert.


Wir passieren Wormerveer, zum Ende der Zaan dann den Jachthaven Swaentje. Der war in den letzten Jahren schon mehrfach für ELAN ein schöner Etappenhafen. Dahinter wird es ländlich, die rurale nordholländische Polderwelt übernimmt.


Wir nehmen Kurs auf Noordhollands größte Binnenwasserfläche, die heißt im nördlichen Teil Alkmaardermeer und südlich Uitgeestermeer. Eine ruhige Wasserwelt heute, wenig Wind, warm, ein diffus taubenblauer Himmel wölbt sich.



Unser Tagesziel ist nicht mehr weit, es ist der Jachthaven Zwaansmeerpolder. Und der erweist sich als Glücksgriff!


Der Hafen liegt schön im Grünen, etwas außerhalb von Uitgeest. Er atmet noordholländische Ländlichkeit, ist dabei aber kein kleiner Bootje-Hafen. Hier liegt einiges, Motorboote überwiegen das Bild. Und alles ist top organisiert. Wir machen am Meldsteiger fest, der Hafenmeister hat ein richtiges Office, weist uns einen Platz zu. Ein freundlicher Mann, auf Nachfrage bekommen wir noch 4 Huurfietsen für eine kleine Einkaufs- und Radeltour gratis.


ELAN liegt sicher in einer Box mit Seitensteiger. Das Wetter hält, wir fahren mit den Leihrädern zum Supermarkt nach Uitgeest, danach für zwei Kilometer auf dem Deich entlang, schöne Rast im Schilf mit Blick auf die Wijde Stierhop.




Der Abend gehört dem Genuß, das Hafenrestaurant ist ambitioniert, schönes Dine & Wine. Ich nehme einen Klassiker: 



Der Sonntag! Die Sonne scheint, zunächst ein ausgedehntes Ontbijt auf dem Boot. Ich möchte aber zeitig los, denn heute ist doch schon eine ziemliche Strecke zu fahren. ELAN verläßt um 10.30 den Hafen, quert nach Nord einmal den kompletten See, dann rechts ab auf den Noordhollandsch-Kanaal in Richtung Purmerend.


Der Nordhollandkanal  ist ein 75 Kilometer langer Wasserlauf, mit der Einweihung im Jahr 1824 war das die wichtigste Wasserverbindung zwischen Amsterdam und der offenen See oben bei Den Helder. Die alte Route durch die Zuiderzee war aufgrund von Versandung immer weniger schiffbar, die Ladungen mussten zeitraubend auf kleinere Schiffe umgepackt werden. 


Doch der Kanal verlor schnell seine Bedeutung für Warentransporte wieder. Als die bautechnischen Möglichkeiten bestanden, unternahm man das eigentlich Naheliegende und schuf eine viel kürzere Verbindung zur Nordsee direkt nach Westen: 1876 wurde der nur 25 Kilometer lange und viel breitere und tiefere Noordzeekanal in Betrieb genommen. Die längere und engere Route durch ganz Noordholland wurde überflüssig. Heute schippern hier hauptsächlich Plezierboote, der Kanal wurde zum Genußgewässer. 


In Richtung Purmerend fängt es erst leicht an zu nieseln, klart dann aber wieder auf. Wir haben Wetterglück, weiter im Süden ziehen Regenschauer durch.


Schließlich wieder Amsterdam! An der Willem I Sluis endet der Noordhollandkanaal, direkt ggü. Centraal Station. Links liegt der Sixhaven, da waren wir mit ELAN noch vor einer Woche.


Wir queren das IJ, und tuckern wieder durch die Stadt zur Amstel hin.



Da schwimmt heute an einem warmen Sonntag wieder jede Menge. Wir begegnen einem knallrot lackierten Exoten asiatischer Herkunft. 




Zurück auf der Weesper Trekvaart, in Diemen wird gebadet. Das hab ich hier auch schonmal gemacht, auf der Mexikofahrt 2018 bei längerer Wartezeit zwischen den beiden Brücken, bekannt als die "Diemenfalle".


Schnell über den Amsterdam-Rijnkanal und auf die Smal Weesp. Da ist wieder Konvoifahrt durch die 3 Brücken, das erfordert feinfühlig-langsames Manövrieren.



Schließlich wieder auf der Vecht, die letzten Meter bei schon tieferer Sonne. Die Fahrtstrecke heute war mit 58 Kilometern die längste bisher gefahrene Tagesetappe. Altijd vaarklaar!