Weekend in Amsterdam - August ´23

Der 26. August, das Ende der Saison ´23 mit ELAN ist schon am Horizont sichtbar. Jetzt muß jede Gelegenheit für das Schippern genutzt werden. Samstag darum ein früher Aufbruch nach Nederhorst, schneller Einkauf im Albert Heijn und schon sind wir in der Schleuse und auf der Vecht. Ziel ist, wie schon so oft, der Sixhaven in Amsterdam. Das heißt normalerweise direkter Nordkurs. In Weesp ist aber ein Wassersportevent mit Durchfahrtseinschränkung gemeldet. Darum tuckern wir zunächst vechtaufwärts und fahren bei Nigtevecht auf den Amsterdam- Rhijnkanaal.


Da könnte man bleiben und direkt Kurs nehmen immer geradeaus bis in die Grachtenmetropole. Das ist ohne weitere Hindernisse der kürzeste und auch schnellste Weg. Der Wind kommt von hinten, die Sonne scheint und ich bin kurz versucht, auf der Wasserautobahn zu bleiben. Aber es ist hier immer ein gewisses Risiko. Durch die großen Binnenschiffe und die harten Kanalwände baut sich eine Schlagwelle auf, die das Bootje ganz schön schaukeln läßt. Darum die Entscheidung: Nach drei Kilometern wird abgebogen auf die Weesper Trekvaart.


Die alte Handelsverbindung zwischen der Vecht und Amsterdam ist eine sichere und ruhige Route. Alle Brücken öffnen fix und nach gut einer Stunde kommt schon eine ikonische Landmarke in den Blick, der Rembrandttoren, mit 150 Metern immer noch das höchste Gebäude der Stadt. Kurz vor dem Abzweig auf die Amstel dann eine Überraschung: Es gibt eine neue Brücke für Fußgänger und Radfahrer! Die Solitudobrug ist leider niedrig und für ELAN ohne Hub nicht zu machen. Zum Glück ist das hier noch nicht ganz fertig und die Konstruktion steht offen. In Zukunft ist das aber auf dieser Strecke nach der Brücke in Driemond und den beiden Diemenbrücken das vierte Hindernis mit Wartezeit.


Die Durchfahrt durch die Stadt ist wie immer großartig, Das Entrée ist die Amstel, hinter der Hermitage biegen wir ab auf die Nieuwe Herengracht und queren das Oosterdok. Hier war im Gouden Eeuw das Zentrum der niederländischen Handels- und Kriegsflotte. Hunderte Segler wurden ausgerüstet für ihre langen Fahrten in die Kolonien nach Indonesien, Südafrika und an die nordamerikanische Westküste. Heute beherbergt der gewaltige Bau des früheren Magazins der Admiralität das große Scheepvaartsmuseum. Davor liegt ein Nachbau eines VOC Schiffes, das Ensemble läßt die Kulisse des 17. Jahrhunderts aufscheinen.


Wir queren das IJ, an Steuerbord das Muzikgebouw, dahinter das Kreuzfahrterminal. Da liegt die Rotterdam der Holland America Linie, ein Kreuzfahrer mit 299 Meter Länge. Wie lange werden diese Schiffe hier wohl noch Halt machen mitten in der Stadt? Die linksliberale Stadtregierung will die Abgasbelastung herabsetzen und solche Pötte aus dem Zentrum der Stadt verbannen.


Direkt gegenüber laufen wir ein in den Sixhaven. Es beginnt zu regnen, aber die Location ist ja schon von vielen Besuchen in den vergangen Jahren bekannt und das Manövrieren in dem engen Hafen ist kein Problem.


Wir machen fest am Kopf vom A-Steiger. Es wäre auch noch eine Box frei, aber wir dürfen hier vorne bleiben. Wollte ich immer schonmal, wir liegen prominent im Blick der Webcam.


Nach dem Regen folgt Sonne, und wir genießen ein paar Stunden im Kulthafen. Sixhaven wurde angelegt 1920 durch die Koninklijke Nederlandsche Zeil- en Roeivereeniging und benannt nach Willem six, dem damaligen Vorsitzenden. Der stammte aus der bekannten und (traditions)reichen Amsterdamer Patrizierfamilie Six, seit dem goldenen Zeitalter im 17. Jahrhundert ein weitverzweigter und einflußreicher Clan. Wirklich lesenwert dazu und tiefe Einblicke in die niederländische Geschichte gebend ist das Buch "Die vielen Leben des Jan Six: Geschichte einer Amsterdamer Dynastie" von Geert Mak. In den ersten Jahren lag die königliche Motorjacht “PIET HEIN” oft im Hafen. Nach dem zweiten Weltkrieg zog die "Königliche" aber dann nach Muiden um, direkt an die Vechtmündung zum IJmeer (klick). Der Hafen verfiel, war nur noch Heimat für ein paar Wohnboote. Bis er 1974 wieder aktiviert wurde, nach den Bürgerlichen ausgerechnet von sehr motivierten Werftarbeitern, quasi ein Wechsel der gesellschaftlichen Klassen.
1946 wurde von Schiffbauern und Dokarbeitern auf der großen NDSM Werft in Amsterdam Noord ein Wassersportverein gegründet, die Watersportvereniging Dok- en Scheepsbouw, kurz WVDS. Bis zu dieser Zeit hatte der Verein auf dem Gelände der Werft seinen Platz und nutzte auch die Bautechnik der Werft. So konnten die Schiffbauer in der Freizeit selbst Hand anlegen und aus Alteisen und alten Rettungsbooten entstanden die ersten eigenen Motorjachten. Nach vielen Umstrukturierungen auf dem Werftgelände mußte der Verein umziehen, ein neuer Platz wurde im verfallenden Sixhaven gefunden. Die Mitglieder haben eigenhändig den Hafen wieder aufgebaut.
Bis heute werden noch alle Arbeiten von Mitgliedern in freiwilligen Arbeitsgruppen verrichtet. Hafenmeisterei und die Kantinen-Bar werden nur durch freiwillige Vereinsmitglieder bemannt. Vor ein paar Jahren wurde genau unter dem Sixhaven der Tunnel für die neue Amsterdam-Metro gebaut, im Rahmen dieses gewaltigen Projekts wurde auch der Sixhaven nochmal gründlich renoviert. Alle Steiger und die Sanitäranlagen sind neu. Es präsentiert sich also heute alles in Top-Form.
Zudem gibt es ein echtes Sahnetüpfelchen: Auf dem Dach der Kantine steht eine 4K-Webcam, die ein Livebild ins Internet sendet, für Bootsleute immer spannend zu sehen. Und man kann Ankunft, Aufenthalt und Abfahrt selbst live von oben anschauen und teilen.




Die Rotterdam läuft aus, immer wieder was fürs Auge, die gewaltigen Dimensionen zu erleben. Das Schiff verdeckt Centraal Station komplett.


Ein kurzer Einkauf beim Albert Heijn hinter dem A´damtoren. Daneben im Tollhuistuin findet ein Bodypaint Event statt, viel ältere Semester ziehen blank und lassen sich anmalen - Amsterdam pur.



Wir waren lange nicht in Noord auf dem Gelände der ehemaligen Nederlandsche Dok en Scheepsbouw Maatschappij, kurz NDSM.  Das wollen wir heute ändern und setzen am frühen Abend zunächst ans Südufer über. Da läuft die Hydrograaf vorbei. Dieser traditionsreiche Dampfer aus 1910 liegt normalerweise in Weesp am Ufer und kann für Veranstaltungen und Rundfahrten gebucht werden.


Mit der Fähre dann 10 Minuten Fahrt über das IJ in Richtung Westen. Am Horizont schon zu sehen, daß sich in den letzten Jahren am Nordufer einiges geändert hat. Der Stadtteil befindet sich im krassen Wandel.


Hier stand noch vor 4 Jahren nur der zweistöckige Bau links, das war die alte Werkskantine der Werft. Alles andere ist neu. Vor allem Appartementhäuser entstehen, ein komplett neues Wohnquartier wächst in die Höhe.


Hier am Nordufer befanden noch bis Ende der 70er Jahre riesige Werftanlagen. Über Kilometer zogen sich die Doks hin, richtig große Seeschiffe wurden hier gebaut. In Teilen des Geländes gibt es noch den Reparaturbetrieb Damen Shiprepair Amsterdam. Ansonsten ist NDSM heute Trendviertel, Kreativzentrum, steht für experimentellen Strukturwandel. Es gibt bunte Kreativ- und Partybereiche in den alten Hallen und improvisierten Bauten aus Containern und Resten der Werft. Wir gehen zum Dinner ins Pllek. Das ist ein Bau komplett recycelt aus alten Seecontainern und allerlei Metallresten der Werft. Industrial Style direkt am Ufer des IJ.



Innen ist es lebendig und laut mit DJ Beschallung. Und auch nicht ganz unwichtig: Das Essen ist gut.




Wir laufen durch das Gewerbe- und Appartementquartier in Noord zurück und erreichen nach gut einer halben Stunde wieder Sixhaven. ELAN bietet sichere Heimstatt für die Nacht.


Bevor wir aus den Kojen kommen läuft ganz früh ein weiterer Kreuzfahrer ein. Es ist die 315 Meter lange Celebrity Silkouette.


Frühes Hafenkino im Sixhaven. Wir beschließen einen frühen Aufbruch, um noch vor der langen Mittagspause an der Heimatschleuse zu sein.



Die Webcam dokumentiert das Ausfahrtmanöver.



Vorbei am Mandelahuisje, die schmale Zufahrt gibt den Weg frei auf das IJ. Ganz feines Morgenlicht zeichnet scharf.


Die Celebrity Silhouette liegt am Terminal, deutlich sichtbar die Rauchfahne. Die Kreuzfahrer sind hier während ihrer Liegezeit auf eigene Stromversorgung angewiesen und müssen gewaltige Dieselgeneratoren laufen lassen. Das Schiff hat weder einen Rußpartikelfilter noch eine Entschwefelungsanlage Angeblich stößt es auf einer 5000 Kilometer langen Fahrt so viel Ruß aus wie 270.000 Autos, so viel Stickoxide wie 4.700.000 Autos und so viel Schwefeloxide wie sämtliche Autos in Europa zusammen auf der gleichen Strecke. Das kann einen schonmal stutzig machen...


Wieder durch das Oosterdok, in Richtung Amstel nehmen wir aber heute die Durchfahrt über die Oudeschans.


Auf der Weesper Trekvaart gibt es in Diemen eine leichte Verzögerung, die Brücken dort öffnen am Wochenende erst um 10.00. Das Wetter ist besser als vorhergesagt und wir genießen die Fahrt. 
 

Es wird aber doch recht knapp. Auch die Ortdurchfahrt in Weesp mit den drei Brücken erfordert etwas Geduld und kostet Zeit.


Auf der Vecht und damit in freier Fahrt sind wir erst um 11.30. Darum rufe ich bei der Schleuse an und kündige unsere Ankunft an für ca. 12.15. Der freundlich-gesellige Schleusenmann hat Dienst, der kennt uns und wartet gern auf das kleine Bootje ELAN. Am Himmel hinter den Mühlen am Vechtufer in Weesp dräut es, und kurz vor dem Hafen wird es auch nochmal regnen. Trotzdem gute Atmosphäre an Bord, einige schöne Fahrten sind hoffentlich noch möglich zum Ende der Saison.